Dienstag, 20. Juni 2017

Was ich gelernt habe: Japan 4

Ich weiß, es ist schon lange her, dass ich das letzte Mal einen Beitrag hier gepostet habe. Viel zu lange.
Tatsächlich so lange, dass ich inzwischen in einem anderen Land als Japan sitze und eigentlich schon mit neuen Fotos für den Blog aufwarten könnte.....

Aber: Ich möchte noch etwas loswerden!

Ich habe nämlich (ganz selbstverständlich), nachdem ich im März von meinem Auslandsjahr zurück gekommen bin, immer wieder sehr viel an meine Zeit in Japan und was ich dort erlebt habe zurückgedacht. Und dabei ist mir klar geworden, dass mir dieses Jahr nicht nur sprachlich und kulturell sehr sehr viel Wissenzuwachs beschafft hat. Daneben habe ich auch viel über, ja, man könnte sagen, Menschsein an sich gelernt.Und da ich diese Punkte eigentlich für am wichtigsten vom Einfluss meines Auslandsjahres her halte, und da ich außerdem finde, eine neue Kategorie mit dem Titel "Was ich gelernt habe" passt doch wunderbar auf diesen Reisblog, kommt hier jetzt der erste Eintrag:

Was ich gelernt habe: Japan 4

Wir sind alle nur Menschen
Der Satz klingt vielleicht ein bisschen geschwollen, aber hauptsächlich während des letzten Semesters in Kobe habe ich ihn immer wieder gedacht – er hat sich sozusagen ein bisschen in meinen Kopf eingebrannt, darum benutze ich ihn auch hier. 
Was ich damit meine: Am Anfang des Auslandsjahres war ich immer sehr stark darauf bedacht, mich anzupassen. Vor allem im Orchester habe ich versucht, so viel wie möglich zu verstehen und so wenig wie möglich aufzufallen. Da ich mich auch völlig an das Hirarchiesystem anpassen wollte, habe ich als Mitglied im ersten Jahr, "Erstsemester", immer Höflichkeitssprache gegenüber den Teilnehmern in höheren Jahren genutzt, und war mir eigentlich nie sicher, ob bestimmte Kommentare oder Fragen angebracht waren...einfach aus dem Gefühl heraus, ich müsse so höflich wie möglich und deshalb auch zu zurückhaltend wie möglich sein. 
Im Laufe der Zeit, hauptsächlich dann im zweiten Semester, ist mir aber klar geworden, dass die Benutzung der Höflichkeitssprache gar nicht unbedingt bedeuten muss, dass man nicht mehr seine Meinung sagen oder persönliche Fragen stellen darf. Sie drückt sozusagen nur aus, wer zuerst in den Club eingetreten, wer älter oder länger dabei ist. Aber trotzdem kann man auch in diesem "Modus" genauso reden, wie man es in der Umgangssprache auch tun würde. Eigentlich habe ich das hauptsächlich durch Beobachtung der anderen "Erstis" bemerkt. 
Außerdem konnte ich im zweiten Semester auch an drei regulären Veranstaltungen der Uni teilnehmen; zwei davon im Musikinstitut und eine bei den Literaturwissenschaften. In den Kursen habe ich immer mehr gesehen, dass es - auch in der japanischn Gesellschaft - nicht so sehr darauf ankommt, dass man irgendwelchen Regeln oder gesellschaftlichen Erwartungen gehorcht. Wenn man etwas machen oder sagen will, sollte man es einfach tun, denn die anderen, deren Blicke oder Reaktionen einen vielleicht davor zurückhalten, sind auch nur Menschen. Und diese Blicke und Reaktionen sind in den meisten Fällen wohlwollend. 
Diese Erkenntnis hätte ich auch schon in Deutschland haben können, aber irgendwie denke ich, dass es für mich wichtig war, als Außenstehende in ein neues System zu kommen und dort zu lernen, dass es nur gut ist, man selbst zu bleiben, auch wenn man sich anpasst.

Charakter steht über Nationalität
Dieser Satz bezieht sich auf Aussagen wie "Japaner sind immer höflich", "Deutsche sind immer pünktlich", "Franzosen sprechen kein Englisch", kurzgesagt: Vorurteile. Obwohl wir ja im einundzwanzigsten Jahrhundert und in einer, wie man doch meinen möchte, äußerst globalisierten Welt leben, haben sich solche Stereotypen bis heute gehalten. 
Ich hatte auch eine relativ festgesteckte Meinung darüber, wie Japaner eben sind, als ich zum vierten Mal da hin ging. Und es ist auch nicht so, dass ich nicht auch immer noch bestimmte allgemeine Aussagen über Japaner treffe (sie sind meistens wirklich sehr höflich), aber ich habe gemerkt, dass statt der Nationalität einfach viel viel mehr der individuelle Charkater entscheidend darüber ist, wie sich ein Mensch verhält. Vielleicht auch eine Selbstverständlichkeit - aber wenn ich mal wieder eine Geschichte erzähle und dann als Reaktion kommt "dabei sind Japaner doch so höflich" - naja, dann eben nicht. Darum wollte ich diesen Punkt gerne nochmal betonen.
Übrigens bin ich in Japan regelmäßig ein bisschen zu spät gekommen - und das als Deutsche! Achja, hab ich schon erwähnt, dass ich kein Bier mag? ^^

Menschen können sich ändern
Diese letzte Aussage beziehe ich auf mich, undzwar in einer ganz bestimmten Hinsicht: Ich war, bevor ich nach Japan gekommen bin, felsenfest davon überzeugt, dass ich niemals in Japan arbeiten oder für längere Zeit wohnen wollen würde. Inzwischen kann ich gar nicht mehr genau sagen, warum, aber irgendetwas an dieser Vorstellung hat mich überhaupt nicht angesprochen.
Das ist jetzt anders. Als sich das Jahr dem Ende zuneigte, war ich nicht wirklich erpicht darauf, wieder nach Deutschland zu kommen; Abgesehen von Familie und Freunden habe ich eigentlich nichts vermisst. Ich hätte mir vorstellen können, ja ich wollte geradezu länger bleiben, und auch in Japan in die Arbeitswelt einzusteigen war für mich eine mögliche Option geworden.
Was ich damit sagen will, ist: selbst die festesten (oder fest-geglaubtesten) eigenen Überzeugungen können sich ändern. Auch das habe ich durch mein Auslandsjahr gelernt, und ich muss sagen, ich freue mich darüber, denn so eröffnen sich mir für die Zukunft natürlich noch weitere Möglichkeiten. ;)


Okay, so viel also zu meinen japanischen Lebensweisheiten. Mal sehen was noch folgen wird. ;)
 Und zum Abschluss noch ein paar Bilder aus den letzten sechs Monaten Japan.





Zu Besuch bei Saki (links) auf Okinawa

Als Opening Performance spiele ich mit Moeka an der Uni



Mutti kommt über Weihnachten-Silvester nach Japan...
...und Tori (aus Australien) und ich leihen in Kyoto Kimonos aus
Spaß zum Schluss

Bohnenwerfen im Wohnheim - die letzte Party


















Eintopf - fast tägliche Speise des zweiten Semesters
Beim Schneefest in Sapporo


Tori und mein Geschenk an meinem Geburtstag!! <3









































Und das letzte Purikura mit den Kobe-Leuten:
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